Meinen heutigen Artikel zum Thema Aufsatz möchte ich mit einem Zitat von Wittgenstein beginnen:
Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt.
Viele Kinder, mit denen ich arbeite, haben Schwierigkeiten, das, was sie sagen wollen, schriftlich mitzuteilen. Sollen sie einen Aufsatz schreiben, fällt ihnen nichts ein. Sie wissen nicht wie sie anfangen sollen oder sie sind bereits nach vier Sätzen fertig mit dem Aufsatz. Je länger ich in meinem Beruf arbeite, umso mehr habe ich mir Gedanken darüber gemacht, woran das liegen könnte.
Schreiben muss wieder Spaß machen – nicht nur beim Aufsatz
Zum einen machen Legastheniker immer wieder die Erfahrung, dass sie beim Schreiben korrigiert werden. Selbst wenn die Fehler nicht in die Benotung einfließen, ist das Geschriebene in der Regel mit roter Tinte übersät. Auch finde ich gelegentlich Kommentare wie „Das ist kein Legastheniefehler“ oder auch „Bemühe Dich ordentlicher zu schreiben“ unter den Texten meiner Schüler. Was in der Regel gut gemeint ist, führt bei den Kindern zu einer verstärkten Abwehrhaltung gegen das Schreiben.
Die betroffenen Kinder schreiben immer weniger. Sie drücken sich um das Schreiben wo es nur geht und haben somit auch weniger Übung als ihre Altersgenossen. Neugierde und Freude, die zu Anfang des Schullebens da waren, sind verschwunden. Aber wie können wir die Kinder aus dieser Situation holen? Was können wir tun, damit Kinder, die eine Legasthenie haben, an diesem Punkt nicht abgehängt werden? Ich möchte Dir zeigen, was Du tun kannst.
Die schlechte Nachricht ist, es gibt nicht zwei, drei Tricks oder Übungen und dann funktioniert das wieder. Aber wir können den Kindern helfen, es in den Griff zu bekommen. Ihre Ausdrucksweise fördern, ohne dass es Tränen und Machtkämpfe gibt. Dazu müssen wir allerdings einen Gang zurückschrauben. Ein Kind, das mit dem Schreiben innerlich abgeschlossen hat, braucht eine ganze Zeit bis es wieder Mut fasst.
Ganz klein anfangen
Fange mit ganz kleinen Aufgaben an. Bei mir heißt die Übung „Der Satz des Tages.“ Die Kinder schreiben jeden Tag einen Satz. Diese Aufgabe können sie bewältigen. Der Inhalt ist egal – Hauptsache es ist ein Satz. Die zweite Aufgabe heißt, diesen Satz so gut zu korrigieren wie sie können. Die Aufgabe für die Eltern heißt nicht weiter korrigieren, nichts anstreichen und nichts bewerten. In der Regel bringt diese Übung über drei bis vier Monate angewandt bereits eine ganze Menge. Die meisten Kinder verlieren so die Scheu vorm Schreiben.
Damit Dein Kind nicht nur zum Einsatzkünstler wird, solltest Du auf eine andere Form des Ausdrucks zurückgreifen. Das Erzählen! Nimm Stift und Zettel weg und lass Dein Kind eine Geschichte erzählen. Die kannst Du dann auch aufnehmen. Mit Smartphone und Co. ist das ja heute kein Problem mehr. Der kleine Erzähler kann sich dabei voll auf den Inhalt konzentrieren und braucht an Rechtschreibung und Schrift keinen Gedanken zu verschwenden. Ich bin immer wieder überrascht, was für tolle Ideen Kinder so entwickeln können.
Mit der Erzählung umgehst Du auch ein zweites Problem, das viele Kinder beim Schreiben haben. Kinder können oft nichts zu einem vorgegebenen Thema erzählen, aber sehr wohl eigene Geschichten erfinden. Da es zunächst einmal wichtig ist, das Vertrauen in das eigene Können zu entwickeln, sollte uns der Inhalt dann auch erst einmal egal sein. Wenn Dein Kind ein kleiner Techniker ist, kann es die eigene Geschichte auch noch mit einem musikalischen Intro versehen. Solche kleinen Audiodateien eignen sich übrigens auch prima als Weihnachtsgeschenke.
Vorteile dieser Methode
Wenn Du die Situation zu Hause schon öfter durchlebt hast weißt Du, dass sich Kreativität und Schreibfreude nicht erzwingen lassen. Durch die Erzählmethode kannst Du aber verhindern, dass die Grenzen der schriftlichen Sprache zur Begrenzung der Ausdrucksfähigkeit Deines Kindes wird. Dein Kind wird sich wieder dafür interessieren Dinge zu erzählen. Förder das Erzählen auch in der Familie. Bitte Dein Kind immer wieder, Anlässe zu erzählen und zu beschreiben. Denn wir wissen, dass einem guten schriftlichen Ausdruck ein gute Erzählfähigkeit vorausgeht.
Das Wichtigste ist jedoch: Nicht schimpfen, nicht kritisieren, in gar keinem Fall bewerten und ganz viel Geduld! Erzählen soll zunächst einmal Freude machen! Ich weiß, dass das die Aufsatznote erst allmählich verbessern wird. Aber oft ist schon viel gewonnen, wenn Dein Kind den Aufsatz spricht und es ihn dann schreibt. Bei mir in der Praxis heißt das dann „Sekretärinnenspiel“. Du musst keine Angst haben, dass Dein Kind schreibfaul wird. Lass ihm einfach ein wenig Zeit.
Nachteilsausgleich
Wenn Dein Kind wegen seiner Legasthenie einen Nachteilsausgleich bekommt, solltest Du mit dem Lehrer noch einmal über die Ausgestaltung beim Aufsatz sprechen. Du könntest ihn bitten, schriftliche Arbeiten soweit sie lesbar sind, zunächst nicht mit dem Rotstift zu bearbeiten. Außerdem gibt es sogenannte Transkriptionsprogramme. Diese Programme können diktierte Sprache in Schrift umwandeln. Bei einer schweren Legasthenie kann das durchaus im Rahmen des Nachteilsausgleichs so gemacht werden. Im Zweifelsfall kannst Du mit Schulpsychologen und Lehrern gemeinsam eine Lösung suchen.
Ich wünsche Dir viel Spaß beim Ausprobieren. Wenn Du mehr Lerntipps und Anregungen zur Lernmotivation möchtest, sieh Dir die kostenfreien Videos „Einführung ins Lerncoaching“ an:
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