Was Förderdiagnostik bedeutet
Hierbei werden weitere Fähigkeiten untersucht und die bisherigen Ergebnisse werden in Teilfähigkeiten zerlegt. Man kann sich die Lesefähigkeit als eine Treppe vorstellen. Bei einer Treppe starte ich immer unten, um dann langsam Stufe für Stufe bis nach oben aufzusteigen. Nun ist es nicht bei jedem Kind so, dass das Lesen nur Stufe für Stufe verläuft. Häufig sind einige Stufen vorhanden, dann fehlen ein oder zwei und dann geht es weiter. Auch kann es sein, dass das Fundament auf dem unsere Treppe ruht nicht stabil ist. Dann wird diese Treppe immer wackelig bleiben. Praktisch bedeutet das, dass Lesen dem betroffenen Kind solange schwerfällt, bis es auch die Grundlagen gefestigt hat. Daher ist es in der Förderdiagnostik wichtig herauszufinden, welche Stufen fehlen oder ob es Probleme im Fundament gibt.
Wo die Förderung beginnt
Die Förderung muss dann immer an der Stelle beginnen, die bei unserer Treppe am tiefsten gelegen ist.
Die Basis der Treppe (Lesefähigkeit) stellen die sogenannten Vorläuferfähigkeiten dar. Dazu gehören insbesondere das Arbeitsgedächtnis und die phonologische Bewusstheit. Das Arbeitsgedächtnis beschreibt vereinfacht gesagt, wie viele Dinge sich eine Person auf einmal merken kann. Diese Merkspanne liegt in der Regel zwischen fünf und sieben. Sie ist auch ein wenig abhängig von der Tagesform.
Die zweite wichtige Vorläuferfähigkeit ist die phonologische Bewusstheit. Salopp gesagt handelt es sich dabei um die Fähigkeit, gesprochene Laute den einzelnen Buchstaben zuzuordnen (Lautanalyse) und ihren Platz im Wort zu erkennen. Und auch der umgekehrte Vorgang gehört dazu: Einzelne Laute zu Buchstaben zusammenzufügen (Lautsynthese).
Beispiel für die Lautanalyse: Gibt es im Wort Birne ein e? Wo hört man das e in Birne?
Für die Lesefähigkeit ist die Lautsynthese ebenfalls von großer Bedeutung. Beispiel: B u s ergibt das Wort Bus.
Finden sich in der Förderdiagnostik Hinweise, dass im Bereich der Vorläuferfähigkeiten Handlungsbedarf besteht, muss eine Förderung hier gezielt ansetzen. Eine generelle Empfehlung, bei einem solchen Befund viel zu lesen, kann oft genau das Gegenteil bewirken. Kinder mit Defiziten auf der Ebene der Vorläuferfähigkeiten haben durch vermehrtes Lesen in der Regel geringe Lernzuwächse. Dauerndes falsches Üben führt zu Lesefrust statt Begeisterung. Immer wieder erlebe ich Fälle, bei denen das Lesen unproduktiv trainiert wird. Folglich lehnt das betroffene Kind das Lesen einfach ab. Zu Hause spielt sich dann ein täglicher Kampf ab. Eine solche Situation verschärft die Problematik aber nur.
Lesegeschwindigkeit und Lesegeläufigkeit
Habe ich nun die Vorläuferfähigkeiten getestet, untersuche ich als nächsten Schritt die Geschwindigkeit, mit der ein Kind Buchstaben benennen kann. Die meisten Eltern sind davon überzeugt, dass ihr Kind alle Buchstaben kennt. Das stimmt in der Regel auch. Nur ist es bei leseschwachen Kindern häufig so, dass sie viel zu lange brauchen um einen Buchstaben zu erkennen. Kinder müssen Buchstaben im Bruchteil einer Sekunde erkennen können. Über Buchstaben, die auf Karten geschrieben werden, lässt sich das sehr einfach feststellen.
Im Anschluss betrachte ich die Lesegeläufigkeit genauer. Liest ein Kind alle Wörter und Silben richtig? Gibt es bestimmte Buchstabenkombinationen, an denen das Kind immer wieder stockt? Wenn ja – welche sind dies? Hier lassen sich meist Muster erkennen. Auch der Aufbau der einzelnen Silben eines Wortes ist von entscheidender Bedeutung.
Bei Problemen mit der Lesegeschwindigkeit muss unter anderem genau analysiert werden, wie ein Kind liest. Liest es noch wie ein Leseanfänger Buchstabe für Buchstabe oder kann es bereits Silben oder kleine Wörter erkennen?
Leseverständnis
Beim Leseverständnis schließlich ist es wichtig, die Herangehensweise an einen Text zu erfassen. Macht das Kind sich Notizen? Kann es Schlüsselwörter in einem Satz erkennen oder unterstreicht es einfach irgendetwas? In den LRS-Materialien findest Du eine Anleitung, um das Textverständnis zu verbessern.
Meine Erfahrung zeigt, dass die Ursachenforschung bei bestehender Lesestörung sehr umfangreich ist und in der Regel einige Zeit dauert. Für gewöhnlich brauche ich drei bis vier Stunden Zeit für die Förderdiagnostik. Aber dieser Aufwand lohnt sich! Denn die Lesefähigkeit lässt sich dauerhaft nur verbessern, wenn die genaue Ursache für die Probleme bekannt ist und bearbeitet wird.
Meine Arbeit zeigt mir, dass Kinder mit der richtigen Unterstützung eine gute Chance haben, ihre Lesefähigkeiten deutlich zu verbessern. Dadurch können sie auch den Spaß am Lesen zurückgewinnen. Allerdings fordert dies von allen Beteiligten ein gewisses Maß an Geduld.
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