Von wem Kinder KI lernen
Laut einer aktuellen Studie von Merriman & Sanz Sáinz (2024) lernt die sogenannte Generation Z – junge Menschen, die etwa zwischen 1997 und 2012 geboren wurden – zu 55 % über soziale Medien, wenn es um künstliche Intelligenz geht.
Weitere 35 % beziehen ihr Wissen aus allgemeinen Nachrichtenquellen. Nur 15 % sagen, dass sie in schulischen oder pädagogischen Kontexten etwas über KI lernen – also von Lehrpersonen, Dozent*innen oder anderen Bildungspersonen.
Diese Zahlen zeigen deutlich: Pädagogische Begleitung ist derzeit die Ausnahme, nicht die Regel.
Kinder und Jugendliche begegnen KI – in Form von Chatbots, Empfehlungssystemen, Bildgeneratoren oder Lernplattformen – ohne ein pädagogisches Fundament, das ihnen hilft, diese Systeme zu verstehen oder einzuordnen.
Genau das will das AI Literacy Framework ändern – und liefert erstmals eine klare, international abgestimmte Orientierung, was Bildung im KI-Zeitalter leisten muss.
Was ist das AI Literacy Framework?
Das AI Literacy Framework ist ein Entwurf, der im Mai 2025 von der OECD in Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission, Code.org und einem internationalen Netzwerk von Bildungs- und Technologiefachleuten veröffentlicht wurde.
Dieser Entwurf ist offen zur Diskussion gestellt und soll 2026 in überarbeiteter Form veröffentlicht werden.
Das Ziel:
Eine gemeinsame, international abgestimmte Grundlage dafür zu schaffen,
wie Kinder KI begegnen,
wie sie diese Technologien einordnen,
und wie sie dabei selbstbestimmt, kritisch und verantwortungsvoll handeln können.
Dabei geht es nicht um Technikvermittlung im engeren Sinn,
sondern um pädagogische Kompetenzbildung – als Teil allgemeiner Bildung.
PISA 2029 – Media & AI Literacy Assessment
Die nächste PISA-Erhebung (OECD, 2029) wird erstmals mediale und KI-bezogene Kompetenzen systematisch erfassen.
Das bedeutet: Kinder und Jugendliche sollen nicht nur Lesekompetenz, Mathematik oder naturwissenschaftliches Wissen unter Beweis stellen,
sondern auch zeigen, wie sie mit algorithmisch erzeugten Inhalten umgehen,
wie sie Informationen bewerten,
und welche Fähigkeiten sie im Umgang mit KI-Anwendungen entwickelt haben.
Das AI Literacy Framework dient als inhaltliche Grundlage für dieses neue Testfeld und signalisiert zugleich, dass der Umgang mit KI kein Zusatzwissen, sondern eine Bildungsaufgabe ist.
Digital Education Action Plan (2021–2027)
Dieser Aktionsplan der EU-Kommission definiert die strategischen Ziele für digitale Bildung in Europa.
Im Zentrum stehen:
digitale Kompetenzen in Schule und Weiterbildung
ethische und inklusive Nutzung digitaler Technologien
Förderung von Innovation in der Lehrerbildung
Unterstützung beim Erwerb von Zukunftskompetenzen
Das AI Literacy Framework ist Teil dieses Aktionsplans.
Es operationalisiert dessen Ziele, indem es konkret beschreibt,
welche Fähigkeiten Kinder entwickeln sollen und wie Bildungseinrichtungen darauf reagieren können.
Fragen & Antworten
Was genau ist das AI Literacy Framework?
Das AI Literacy Framework ist ein international entwickelter Orientierungsrahmen, der beschreibt, welche Kompetenzen Kinder und Jugendliche im Umgang mit KI-Systemen erwerben sollen – inklusive kritischer Reflexion, kreativer Anwendung und ethischer Einordnung.
Wer hat das Framework entwickelt?
Das Framework wurde von der OECD, der Europäischen Kommission, Code.org und einem Netzwerk internationaler Bildungs- und Technologieexpert*innen erarbeitet. Es ist aktuell (Stand 2025) in der Entwurfsfassung veröffentlicht und öffentlich kommentierbar.
Was ist das Ziel von PISA 2029 in diesem Zusammenhang?
Die PISA-Erhebung 2029 wird erstmals die Media & AI Literacy von Jugendlichen weltweit untersuchen – also ihre Fähigkeit, Informationen aus KI-Systemen zu bewerten, Medieninhalte kritisch zu analysieren und reflektiert mit digitalen Technologien umzugehen.
Das AI Literacy Framework liefert dafür die fachliche Grundlage.
Was steht im Digital Education Action Plan 2021–2027?
Der Digital Education Action Plan ist eine Bildungsstrategie der EU-Kommission. Er definiert Ziele für die Weiterentwicklung digitaler Bildung in Europa – darunter den Ausbau digitaler Kompetenzen, Lehrerfortbildung, ethische Techniknutzung und Chancengleichheit. Das AI Literacy Framework ist Teil dieser Umsetzung.
Ist das Framework nur für Schulen gedacht?
Nein. Es richtet sich an ein breites Spektrum pädagogischer Kontexte – von Schulen über Fortbildung bis hin zu außerschulischen Lernorten. Auch Lerntherapeut*innen, Lerncoaches und Fachkräfte in Ausbildung können von der Systematik des Frameworks profitieren.
Für wen ist das Framework gedacht?
Das Framework richtet sich an ein breites Spektrum von Menschen im Bildungsbereich
Lehrerkräfte und Schulleitungen
Bildungsadministration und Bildungspolitik
Entwickler und Entwicklerinnen von Lehrmaterialien und Fortbildungen
außerschulische Bildungseinrichtungen
sowie Fachkräfte im Bereich individueller Lernförderung
Für alle Personen, die Kinder im Umgang mit digitalen Medien begleiten, bietet das Framework eine fundierte Orientierung:
Es beschreibt nicht nur, was Kinder lernen sollen,
sondern auch, was sie zum Lernen befähigt und das in einer zunehmend KI-vermittelten Welt.
Die vier zentralen Kompetenzfelder
Das AI Literacy Framework beschreibt vier übergeordnete Felder, in denen Lernende Fähigkeiten im Umgang mit KI entwickeln sollen:
Engaging with AI
Kinder und Jugendliche erkennen KI-Systeme, verstehen deren Präsenz im Alltag und entwickeln die Fähigkeit, ihre Ergebnisse einzuordnen.Creating with AI
Lernende nutzen KI kreativ – z. B. zur Text- oder Bildgenerierung und reflektieren dabei Urheberschaft, Verantwortung und ethische Fragen.Managing AI
Sie lernen, wie sie KI gezielt einsetzen können, um Prozesse zu unterstützen und wie sie dabei den Überblick und die Entscheidungsgewalt behalten.Designing AI
Kinder sollen grundlegend verstehen, wie KI-Systeme entwickelt werden, wie Trainingsdaten funktionieren und welche sozialen, ökologischen und ethischen Fragen sich daraus ergeben.
Alle vier Felder werden ergänzt durch Aussagen zu:
technischem Wissen (z. B. wie Maschinen „lernen“)
anwendungsbezogenen Fähigkeiten (z. B. wie man Prompting sinnvoll nutzt)
Haltungen und Werten (z. B. Verantwortungsbewusstsein, Neugier, Kritikfähigkeit)
Was das Framework nicht ist
Das AI Literacy Framework ist kein Lehrplan, kein Methodenkatalog und keine Tool-Sammlung.
Es liefert keine fertigen Unterrichtseinheiten oder konkreten Aufgabenstellungen.
Es ist ein struktureller Rahmen, der Orientierung bietet:
für die Planung, Entwicklung und Reflexion pädagogischer Angebote,
die Kinder in ihrer Fähigkeit stärken, mit KI-basierten Systemen kritisch und souverän umzugehen.
Was wir als pädagogische Fachkräfte davon haben
Für Fachkräfte in der Lernförderung, Lerntherapie oder Fortbildung bietet das Framework eine belastbare Grundlage, um:
den eigenen Anspruch an Bildungsarbeit im digitalen Zeitalter zu schärfen
pädagogische Konzepte systematisch an neue Herausforderungen anzupassen
gegenüber Trägern, Eltern oder Kooperationspartnern fachlich fundiert argumentieren zu können
Es zeigt:
KI-Kompetenz ist nicht technikzentriert, sondern bildungspolitisch, ethisch und gesellschaftlich relevant.
Wer Kinder in ihrer Entwicklung begleiten will, muss ihnen helfen, sich in einer Welt zurechtzufinden,
in der Informationen nicht mehr nur „aus Büchern“ stammen, sondern aus Modellen, die selbst lernen, aber nicht denken. Fühlst du dich dazu bereit?
Und du? Wo stehst du in diesem Thema?
Vielleicht hast du beim Lesen gemerkt:
Einige Begriffe kennst du längst. Andere waren neu.
Vielleicht fühlst du dich eher am Anfang oder du begleitest Kinder schon länger im Umgang mit digitalen Tools.
Was auch immer auf dich zutrifft:
Der pädagogische Alltag verändert sich und wir können mitgestalten, wie er sich verändert.
Darum meine Frage an dich:
Was wünschst du dir an Wissen über KI für deinen pädagogischen Alltag?
Zu welchem Thema hättest du gerne weiter Blogartikel oder Fortbildungen?
Was würdest du gern besser verstehen oder einordnen können?
Was müsste ein guter Blogartikel, ein Austausch oder eine Fortbildung für dich leisten?
Lass mir gerne einen Kommentar dazu da. Ich freue mich über jede Rückmeldung und nehme deine Impulse gern mit in die nächsten Blogartikel, Fortbildungen oder Materialien. Wenn du hier nicht kommentieren magst, dann schick mir einfach eine Mail p.rodenberg@lern-ort.de
Ausblick
Die finale Veröffentlichung des Frameworks ist für 2026 geplant – inklusive Beispielszenarien, Begleitmaterialien und curricularem Bezug.
Schon jetzt lohnt sich der Blick in den Entwurf, der kostenlos zugänglich ist:
https://ailiteracyframework.org
Der Umgang mit KI ist keine Spezialkompetenz.
Er ist Teil dessen, was Bildung heute leisten muss.